Heute setzen wir unseren kleinen Rückblick auf die nunmehr zweite interdisziplinäre und internationale #SpeakUpOstbelgien Tagung fort, die zwischen dem 09. und 14. Oktober 2022 im ostbelgischen Lontzen stattfand.
Veranstaltet wurde die Tagung vom Eupener Institut für Demokratiepädagogik in Kooperation mit der Vernetzungsstelle Speak Up! Thematisch ging es an fünf Thementagen (Montag: politische Bildung, Dienstag: Medien- und Informationskompetenz, Mittwoch: Speak Up! macht Schule, Donnerstag: Hate Speech, Freitag: Politik) um Fake News und Hate Speech als gesellschaftliche Herausforderungen.
Zu den Vortragenden zählten neben Menschen aus der ostbelgischen Zivilgesellschaft Fachkräfte sowie Wissenschaftler*innen aus dem In- und Ausland, die sich im Vorfeld um eine Teilnahme bewerben konnten, wie man hier nachlesen kann.
Am Montag startete jedenfalls das offizielle Programm des Retreats mit einem Thementag zur politischen Bildung. Eröffnet wurde er mit Grußworten von Institut für Demokratiepädagogik-Leiterin, Dr. Tomke Lask, und Sabrina Kirschner, die am Institut für Demokratiepädagogik als Referentin arbeitet und die Vernetzungsstelle Speak Up! leitet. Tomke Lask freute sich, dass die Veranstaltung nunmehr zum zweiten Mal stattfand “Die Speak Up! Tagung hat nun einen festen Platz im Kalender des IDP, der Vernetzungsstelle Speak Up! und – worüber wir uns besonders freuen – auch der ostbelgischen Zivilgesellschaft.”
Im Vorfeld hatte zudem der ostbelgische Ministerpräsident Oliver Paasch ein Grußwort übermittelt, das die Teilnehmenden auch in Gänze im Retreat Reader nachlesen konnten: „Dass Sie in den kommenden Tagen in Ostbelgien zusammenkommen, um gemeinsam über Fake News und Hate Speech in unterschiedlichen Bereichen wie Bildung, Medien und Politik zu sprechen, nachzudenken und Handlungsstrategien zu entwickeln, zeigt, dass Speak Up! ein Erfolgsmodell ist. […] Ich wünsche Ihnen auf der zweiten Speak Up! Tagung viele erkenntnisreiche Vorträge, spannende und bereichernde Austausche und neue Möglichkeiten der Vernetzung.“
Die thematische Eröffnung der Tagung erfolgte durch Sabrina Kirschner, die einen Einführungsvortrag zum Thema Chancen und Herausforderungen beim gesellschaftlichen Umgang mit Fake News und Hate Speech bzw. Speak Up! – von der ostbelgischen zivilgesellschaftlichen Initiative zur transnationalen Vernetzungsstelle hielt und dabei den thematischen Rahmen der Tagung – die als Retreat konzipiert war – absteckte: „Für unsere Tagung haben wir in diesem Jahr die Form des Retreats gewählt. Ein Retreat ist ein geschützter Raum, in dem eine offene und familiäre Form des fachlichen Austauschs auf Augenhöhe stattfindet. An jedem Tag nehmen wir uns einen anderen Aspekt von Fake News und Hate Speech vor.“ Miriam Montag-Erlwein, die als Forscherin bis dato vorwiegend wissenschaftliche Tagungen besucht hatte, konnte dem Konzept des Retreats viel abgewinnen: „Das fand ich persönlich sehr bereichernd“, schließlich konnte sie nicht nur neuen Input zum Umgang mit Fake News und Hate Speech mitnehmen, sondern auch Informationen „über andere Bildungssysteme und das politische Miteinander in Ostbelgien.“
Im Eröffnungsvortrag ging Sabrina Kirschner auch auf die Vernetzungsstelle Speak Up! ein, die im Juni diesen Jahres aus dem gleichnamigen ostbelgischen Bündnis hervorgegangen war. Der Vernetzungsstelle haben sich seit der Gründung im Juni jedenfalls 11 Einzelpersonen und 12 Institutionen aus dem In- und Ausland angeschlossen, darunter natürlich die Gründungsmitglieder des Speak up! Bündnisses, zu denen das Institut für Demokratiepädagogik, das Medienzentrum, Kaleido sowie der Wegweiser Ostbelgien zählen. Dazu gesellten sich zudem die Jugendinfo Ostbelgien und die Verbraucherschutzzentrale sowie aus Deutschland die Fachstelle Extremismusdistanzierung (fexbw), das HAIT an der TU Dresden, die Meldestelle RE:spect, die Stadtbibliothek Aachen und aus Bulgarien die Ethnic Harmony Foundation sowie YMCA Dobrich, wie sich hier nachlesen lässt. Nach der Tagung – das ließ sich schon aus den Pausengesprächen ableiten – werden sicherlich einige mehr folgen.
Überdies umriss Sabrina Kirschner noch einmal das Konzept der Tagung und berücksichtigte dabei auch die Ergebnisse der kleinen Umfrage, die alle Teilnehmenden mit ihren Anmeldeunterlagen eingereicht hatten. Abgefragt wurden dabei Berührungspunkte mit und Interesse an Fake News bzw. Hate Speech sowie die Erwartungen an das Retreat. Fest stand: das Gros der Teilnehmenden hoffte auf fachlichen Input und Austausch sowie die Erweiterung ihres eigenen Netzwerks und Inspiration für neue Projekte. Sabrina Kirschner zeigte sich zuversichtlich, dass die kommenden Tage die Erwartungen erfüllen würden, schließlich waren die Programmpunkte darauf ausgelegt, einen regen Austausch auf Augenhöhe und das Voneinanderlernen zu ermöglichen. Gerade deshalb gebe es, anders als bei klassischen wissenschaftlichen Tagungen, auch keine sperrigen Namensschilder mit Titeln und Institutionen, sondern lediglich ein Klebchen fürs Oberteil, auf das jede*r selbst den eigenen Vornamen schreiben konnte.
Dies fiel auch Ann Nguyen, Bachelor-Studentin an der Universität Passau, positiv auf. Die angehende Politologin zählte zu den jüngeren Teilnehmenden des Retreats und konnte bei den anderen Teilnehmenden mit ihrer Expertise als Content Creatorin auf TikTok punkten. Ann freute sich über die Möglichkeit, ihren fachlichen Horizont zu erweitern und neue Impulse für ihr Studium mitzunehmen. Und auch Historikerin Miriam Montag-Erlwein erhielt neue Einsichten “Ich denke, dass auch wir von Ann Nguyen lernen konnten, gerade was die Art und Weise, wie die junge Generation mit Social Media umgeht, anbelangt. Zudem teilte sie mit uns ihre persönlichen Erfahrungen mit der Problematik um Fake News und Hate Speech auf Social Media.”
Abschließend ging Sabrina Kirschner auf die Chancen und Herausforderungen ein, die für die Zivilgesellschaft mit Fake News und Hate Speech einhergehen. Dabei leitete sie zum Weltcafe über, in dem es um den gesellschaftlichen Umgang mit Fake News und Hate Speech als gesellschaftliche Herausforderungen ging. In kleinen Gruppen wanderten die Tagungsteilnehmenden dabei durch die beiden Tagungshäuser und schrieben ihre Gedanken auf Papiertischdecken. Spannend wurde es ab dem zweiten Durchgang, denn hier konnte jede*r das sehen, was die vorherigen Tischgäste geschrieben hatten: Es entstand also ein Dialog, den einige Teilnehmer*innen auch fotografisch dokumentiert haben, wie sich der Fotogalerie entnehmen lässt. Dem Weltcafe schloss sich ein Museumsgang an, bei dem alle Tischdecken noch einmal im Plenum besprochen wurden.
Für die Bonner Linguistin Karolina Küsters legten das Weltcafé und die Besprechung der Arbeitsergebnisse im Plenum während des Museumsgangs eine solide Basis für die Retreat-Aktivitäten der folgenden Tage: „Der dynamische und schnelllebige Austausch von Gedanken zu den unterschiedlichen Teilbereichen hat dazu geführt, dass wir schon am ersten Tag ein Sammelsurium an praktischen, theoretischen, wissenschaftlichen und intuitiv erarbeiteten Begriffen, Inputs und Inspirationen im Kopf herumschwirren hatten, die uns die darauffolgenden Tage weiter begleitet haben”. Ähnlich sah dies Miriam Montag-Erlwein von der Uni Würzburg: „Das fand ich sehr bereichernd, da die Teilnehmenden so ins Gespräch miteinander kamen. Durch den sich anschließenden Museumsgang sowie die Gespräche bereits im Vorfeld ergaben die Beiträge neue Aspekte auch für einen selbst und die weitere Arbeit.“
Anschließend erfolgte das gemeinsame Zubereiten des Mittagssnacks, zugegebenermaßen recht untypisch für eine Tagung, allerdings mit dem Hintergedanken, auch beim gemeinsamen Kochen ins Gespräch zu kommen. Dass dies funktionierte, bestätigte Teilnehmerin Anne Lohe: „Ich hatte mir die Selbstversorgung sehr rustikal vorgestellt, aber sie hat Spaß gemacht. Gemeinsam Gemüse schnippeln und dabei sich kennenlernen, einfach nebenbei ins Gespräch kommen. Wunderbar.“ Beim Mittagessen konnte der informelle Austausch fortgesetzt werden.
Danach begann die Arbeit in den selbst gewählten Arbeitsgruppen. Dr. Tomke Lask und Sabrina Kirschner vom IDP sowie Maximilian Kreter vom HAIT, Jonas Israel von der Düsseldorfer Landeszentrale für politische Bildung und Patricia Feider vom Luxemburger Zentrum fir politesch Bildung bildeten dabei auf der Terrasse die Arbeitsgruppe politische (Medien)Bildung, zumal das ZFP in Luxemburg und das IDP in Ostbelgien ähnliche Aufgaben übernehmen, wie in Deutschland die Landeszentralen. Gemeinsam tauschten sich die fünf in lockerer Atmosphäre über Trends der politischen Medienbildung aus, reflektierten über bestehende und neue Formate und berieten sich über zukünftige Kooperationsmöglichkeiten – beispielsweise im Bereich der Podcasts –, wie IDP-Leiterin Dr. Tomke Lask anmerkte.
Abschließend stand der Vortrag Wie kann die politische Bildung posi- und konstruktiv mit Fake News und Hate Speech umgehen? von Jonas Israel von der Landeszentrale für politische Bildung Nordrhein-Westfalen auf dem Programm, dem sich spannende Diskussionen über (politische) Medienbildung, Aufmerksamkeitsspannen und die Nutzung von Social Media anschlossen. Jonas Israel stellte verschiedene Angebote der nordrhein-westfälischen Landeszentrale für politische Bildung vor: das Fake News Game, das Medienprojekt Mach doch! und das Themenspecial Unser digitales Leben gestalten vor. Jonas’ Handlungsempfehlungen im Vortrag: Macht mehr aktivierende Projekte, probiert euch aus und gestaltet Angebote multimedial. Besonders wichtig war Jonas Israel allerdings, dass man das Rad nicht neu erfinden muss: “Wir müssen nicht immer alles neu entwickeln, sondern können auf die bestehenden guten Angebote der Medienpädagogik und politischen Bildung zurückgreifen und diese einsetzen. Dafür bieten sich besonders CC-Lizenzen an, mit denen Medien unkompliziert auch von anderen Menschen oder Institutionen genutzt werden können.”
Miriam Montag-Erlwein, selbst ausgebildete Lehrerin und nun Fachdidaktikerin an der Uni Würzburg merkte an “Der Vortrag zeigte, dass man als Lehrkraft nicht alle Inhalte – gerade wenn es um heikle Themen wie Fake News geht – nicht selbst erfinden oder sich aneignen muss. Es gibt bereits sehr gute Angebote, die sich in den Unterricht einbinden lassen.”
Anschließend erfolgte eine kurze Besprechung der im Retreat-Etherpad gesammelten Arbeitsergebnisse und eine Rückschau auf den Tag, bei der die Teilnehmenden in einem kurzen Blitzlicht noch einmal kurz äußern konnten, was sie bewegte. Anne Lohe von der Stadtbibliothek Aachen äußerte sich ähnlich wie andere Teilnehmende: „Als Praktikerin habe ich sehr viel von dem ersten Tag mitgenommen – endlich einmal die eigene Arbeit in einen größeren Zusammenhang sehen, reflektieren und den Facettenreichtum erahnen.“
Gegen kurz vor 19 Uhr haben wir dann nach der Aufnahme eines Gruppenfotos unsere Tagesgäste u.a. vom Eupener Zentrum für Förderpädagogik, dem luxemburgischen Zentrum für politische Bildung und aus Deutschland (Landeszentrale für politische Bildung NRW sowie Stadtbibliothek Aachen) verabschiedet und uns an die Zubereitung des Abendessens begeben: Stoofvlees mit oder ohne Fleisch und Spätzle bzw. Reis.
Herzlichen Dank an alle, die am Montag dabei waren und unsere zahlreichen Arbeits- und Diskussionsphasen bereichert haben!