Es wird viel über Angriffe auf die Demokratie gesprochen, gerade jetzt in Wahlkampfzeiten. Man hört von Politiker*innen, die beim Aufhängen von Wahlplakaten tätlich angegriffen werden, von Polizist*innen, die bei der Verteidigung der demokratischen Werte im Dienst sterben oder von Schmutzkampagnen, die durch Trollfabriken lanciert werden.
In Ostbelgien sind viele Menschen der Meinung, dass ‚so etwas bei uns nicht passieren kann‘. Selbst, dass lokale Politiker*innen zurück- oder nicht mehr zur Wahl antreten, weil ihre Familien bedroht werden, wird bisweilen achselzuckend zur Kenntnis genommen.
Erst wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist, und man selbst betroffen ist, fängt man an, sich Gedanken zu machen.
Auch wenn wir uns am Institut für Demokratiepädagogik und in der Vernetzungsstelle Speak Up! bewusst sind, dass die Demokratie eine Staatsform ist, für die wir jeden Tag aufs Neue kämpfen müssen, hat uns doch ein (Cyber-) Angriff stark betroffen gemacht.
Als Institution, die sich nachhaltig für die Förderung der demokratischen Kultur einsetzt und dabei bisweilen einigen Menschen auf die Füße tritt, ist uns klar, dass es Menschen gibt, die unsere Arbeit nicht gutheißen. In einer pluralistischen Demokratie respektieren wir auch die Meinung dieser Menschen.
Was wir allerdings nicht akzeptieren, sind feige Angriffe auf die Demokratie (-pädagogik), weshalb wir vom Institut für Demokratiepädagogik und von der Vernetzungsstelle Speak Up! nun einen Vorfall öffentlich machen wollen, der sich im vergangenen Monat ereignet hat. Damit wollen wir auch andere Institutionen und VoGs ermuntern, wachsamer zu sein, was den Umgang mit der Website betrifft.
Die neue Website des Instituts für Demokratiepädagogik, die auch Informationen rund um Speak Up! bereithält, verfügt über einen internen Bereich, in dem sich Änderungen an der Website vornehmen lassen. Dort sind auch verschiedene Statistiken hinterlegt. So gibt es ein Tool, dass das Monitoring der Logins und versuchten Logins in den internen Bereich anzeigt.
Auch wenn allgemein bekannt ist, dass eigentlich jede Website potentielle Zielscheibe von Versuchen ist, sich illegal Zutritt zum internen Bereich der jeweiligen Website zu verschaffen, meist mit dem Ziel, Änderungen am Inhalt der Webpräsenz vorzunehmen, war das Team des IDP davon überzeugt, von größeren Angriffen verschont zu bleiben. Damit lag es allerdings falsch, wie Sabrina Kirschner betonte, die die Vernetzungsstelle Speak Up! leitet und am IDP für Angebote der politischen (Medien-)Bildung verantwortlich ist:
„Beim Überarbeiten der Website ist mir aufgefallen, dass sich eine Kollegin zu einer Uhrzeit eingeloggt haben sollte, in der sie schon längst im Feierabend war. Bei einem genaueren Blick in die simple history (siehe Abbildung) zeigte sich dann, dass es eine schon sehr hohe Anzahl an Login-Versuchen gegeben hatte. Eine kurze Rücksprache mit der Kollegin ergab, dass sie natürlich nicht versucht hatte, sich einzuloggen. Die Alarmglocken haben also geläutet und nach einem kurzen Telefonat mit unserem Webmasterteam, das sich um die Infrastruktur kümmert, sind wir übereingekommen, die Situation erst einmal zu beobachten, da wir ja eigentlich ausreichende Sicherheitsvorkehrungen getroffen hatten, wie wir alle glaubten. Dem war allerdings nicht der Fall, wie sich einige Zeit später zeigen sollte. Zwei Tage nach dem ersten Vorfall waren es dann am 15. Mai sogar schon über 3000 Versuche, viele aus dem asiatischen Raum, sich illegal Zutritt zu unserer Website zu verschaffen. Leider ist es nicht nur beim Versuch geblieben, mindestens einer der professionell vorbereiteten Hackerangriffe war erfolgreich. Im Zuge dieses Angriffs wurden Inhalte auf unserer Website gezielt gelöscht und vertauscht, eben um die demokratiefördernde Arbeit zu stören.“
Der Vorfall zeigt, dass nicht nur Politiker*innen, die im Rampenlicht stehen oder große demokratische Parteien Opfer von in der Regel anonymen (Hacker-) Angriffen werden, sondern auch vermeintlich kleine zivilgesellschaftliche Organisationen, die sich für die Förderung der Demokratie einsetzen. So das Institut für Demokratiepädagogik und die dort angeschlossene Vernetzungsstelle Speak Up!, die sich passenderweise auch gegen Fake News und Hate Speech im Netz einsetzt und über die Aktivitäten von Trollen und Bots aufklärt.
„Durch ein schnelles Eingreifen konnten wir Schlimmeres verhindern. Derzeit sind unsere Webmaster dabei auf Grundlage der regelmäßig erfolgten Backups unsere Website wiederherzustellen und haben dabei auch die Sicherheitsvorkehrungen hochgefahren, um weitere Angriffe auf die Demokratie(-pädagogik) abzuwehren. Dies hat erste Wirkung gezeigt, einige IP-Adressen konnten gesperrt werden, die Anzahl der versuchten Angriffe ist nun weniger geworden“, kommentierte Sabrina Kirschner die Situation.
Die IDP-Leiterin Tomke Lask ist davon überzeugt, dass die angespannte Situation im Wahlkampf europaweit zu flächendeckenden Attacken gegen Institutionen der Demokratieförderung führt. „Man kann nur hoffen, dass sie nicht erfolgreich sind“, gibt die IDP-Leiterin zu bedenken.
Tomke Lask und Sabrina Kirschner sind sich allerdings einig: „Auch wenn ein solcher Angriff natürlich zu verurteilen ist, zeigt er eigentlich, wie wertvoll unsere Arbeit ist, da sich Demokratiegegner*innen durch unsere Arbeit gestört fühlen.“