Politische Bildung made in Ostbelgien – Speak Up! wird zum Innovationslabor
Fake News und Hate Speech sind insbesondere in den vergangenen Jahren in den Fokus gesellschafts-politischer Debatten geraten, weil immer mehr Menschen in ihrem Alltag mit den beiden Phänomenen konfrontiert sind. Dies ist auch in Ostbelgien der Fall, wie die Vorkommnisse der letzten Zeit eindrucksvoll illustrieren.
Im Spätsommer 2020 hatte sich daher ein ostbelgisches Bündnis gegründet, um ein Zeichen zu setzen. Das Bündnis fand seine Heimat am Eupener Institut für Demokratiepädagogik und wurde dort mit Leben gefüllt. Diese Aufgabe hat Sabrina Kirschner übernommen. Nach einer ersten Tagung, die im Heidberg die ostbelgische Zivilgesellschaft mit Wissenschaftler*innen und Expert*innen aus der Praxis zusammenbrachte, kam der Wunsch auf, das rein ostbelgische Bündnis auch für interessierte Kooperationspartner*innen aus dem Ausland zu öffnen. Aus dem Bündnis wurde also im Juni 2022 die Vernetzungsstelle Speak Up! Die Vernetzungsstelle schaffte einerseits Kontinuitäten zum Bündnis, indem sie bestehende Formate optimierte. Anderseits setzte sie neue Impulse, indem sie zeitnah themenspezifische Angebote zu aktuellen gesellschafts-politischen Debatten schuf, darunter beispielsweise verschiedene offene Briefe oder Online-Austauschforen zum Ukraine-Krieg, den Stickern aus dem rechten Lager etc.
Nach vier Tagungen und der Arbeit an zwei Büchern hat sich Speak Up! wiederum weiterentwickelt. Speak Up! hat sich über die ostbelgischen Grenzen hinaus einen Namen gemacht als innovatives Labor, in dem neue Formate der politischen (Medien-)Bildung entwickelt, reflektiert und optimiert werden. Dazu zählen u.a. die interaktive Performance oder die Stadtrallye, die verschiedenen World Cafés, aber auch die Arbeitsgruppen, die Menschen aus der Zivilgesellschaft mit Wissenschaftler*innen und Praktiker*innen vernetzt und auf Augenhöhe zusammengebracht haben. Insbesondere während der vierten Tagung wurden unter dem Motto Fake News, Hate Speech und ich? auch noch einmal die eigene Wahrnehmung der Umgang mit Fake News und Hate Speech in den Fokus gestellt. Erfahrungen wurden reflektiert, Handlungsstrategien erarbeitet und Anlaufstellen benannt.
Zwischenzeitlich kam dann die Idee auf, dem Netzwerk der Vernetzungsstelle einen passenderen Namen zu verpassen, der den innovativen und interdisziplinären Charakter der innovativen Laborarbeit besser widerspiegelt und auch international verständlicher ist.
Sabrina Kirschner, die das Speak Up! Lab leitet, dazu „Den passenden Namen gab es eigentlich schon, denn nach der zweiten Tagung haben wir angefangen, im Speak Up! Lab zu arbeiten. Oft verbindet man mit einem Labor meist Menschen in weißen Kitteln, die mit explosiven Dingen hantieren. Zugegebenermaßen gibt es das bei uns nicht. Aber wir hantieren eben mit Themen, die eine große gesellschaftliche Sprengkraft haben: Fake News und Hate Speech, bzw. weiter gefasst verschiedene Formen von Diskriminierung. In unserem Labor gibt auch keine Petrischalen, in den wir etwas züchten oder Reagenzgläschen, in den wir Dinge zusammenmischen. Am ehesten könnte man davon sprechen, dass wir uns einige gesellschaftliche Prozesse unter dem Mikroskop anschauen. Das ist eben auch ein sehr wichtiger Pfeiler der politischen Bildung. Denn nur wenn wir wissen, wo gerade der Schuh drückt, können wir selbst auch passende Formate entwickeln.“
Im Speak Up! Lab begegnen sich Menschen aus der ostbelgischen Zivilgesellschaft, Fachleute zu verschiedenen Themen und auch Menschen, die in der Wissenschaft arbeiten, auf Augenhöhe. Gemeinsam suchen sie nach Lösungen für gesellschaftliche Herausforderungen, die sich im Berufsleben, im Ehrenamt und im Privatleben zeigen, und bringen dabei ihren Erfahrungsschatz ein, den sie im Laufe ihres Lebens gesammelt haben. Besonders bereichernd ist dabei, dass die Speak Up! Lab Mitglieder unterschiedliche kulturelle und sprachliche Hintergründe mitbringen, und an verschiedenen Orten wohnen. So können sie nämlich auch einige Thematiken vergleichend untersuchen. Dabei profitieren Sie davon, dass die Mitglieder des Labs unterschiedliche Erfahrungen mitbringen, so dass immer wieder spannende, neue Dinge entstehen. Dazu gehört auch das zweite Speak Up! Buch, so Kirschner: „Seit der dritten Speak Up! Tagung haben wir im Speak Up! Lab am Buch gearbeitet. Dabei kombinieren wir bewusst niedrigschwellige Vermittlungsmöglichkeiten der politischen Bildung, wie z. B. die Fritten-Interviews mit umfangreicheren Beiträgen, die die methodisch-didaktischen Grundlagen der politischen Bildungsarbeit beleuchten und Beiträgen aus dem Bereich Wissenschaft(skommunikation). Das ist sehr wichtig, denn vielerorts in Ostbelgien wird politische Bildung immer noch mit Politik oder Aktionismus verwechselt. Und gerade die Fritten-Interviews sind für alle Menschen aus der Zivilgesellschaft sehr spannend, denn in Ostbelgien war natürlich jeder schon mal in einer Fritüre und hat dort auch spannende Gespräche geführt…“
Am IDP freut man sich jedenfalls, dass die Speak Up! Formate sich auch über die ostbelgischen Grenzen hinaus einen Namen machen konnten. „Uns erreichen immer wieder auch Anfragen von Institutionen und Organisationen aus dem deutschsprachigen und europäischen Ausland, um Speak Up! als best Practice vorzustellen und über die politische (Medien-)Bildungsarbeit zu sprechen. Das ist eine sehr schöne Anerkennung für die Arbeit, die wir leisten. Wir können diese Anfragen aber nur sehr begrenzt annehmen, nämlich dann, wenn es dabei auch einen Mehrwert für Ostbelgien gibt“, so IDP-Leiterin Tomke Lask und Speak Up! Lab Leiterin Sabrina Kirschner.
Stand Oktober 2025 umfasst das Speak Up! Lab insgesamt 47 Einzelpersonen und 13 Institutionen. Die Einzelpersonen leben und arbeiten bzw. die Institutionen haben ihren Sitz in zwölf Ländern auf vier Kontinenten, nämlich: Belgien, Ägypten, Bulgarien, Deutschland, Italien, Indien, Finnland, Frankreich, Kanada, Nigeria, Österreich und Polen.







Sabrina Kirschner




Sabrina Kirschner