Innerhalb der Deutschsprachigen Gemeinschaft gibt es verschiedene Gremien, die sich mit Medienfragen befassen. Neben dem Medienrat ist dies u.a. auch der im Jahr 2021 gegründete Beirat für Mediendienste der DG. Gemäß dem entsprechenden Dekret kümmert sich der Beirat insbesondere um die Erstellung verschiedenster Gutachten. Außerdem verfasst das Gremium einen Bericht über die deutschsprachige Medienlandschaft Belgiens. Nicht zuletzt kann der Beirat für Mediendienste auch Vorschläge unterbreiten, so im Bereich bspw. zur Förderung der Medienkompetenz. Bisweilen lädt der Beirat, dem André Goebels als Präsident vorsteht, zu seinen Sitzungen externe Gäste ein, die Input zu verschiedenen Themen liefern, die innerhalb des Beirats aufgekommen sind.
Dies war auch am vergangenen Montag der Fall. Vor dem Hintergrund des (ost)belgischen Superwahljahrs wollten sich die Mitglieder darüber informieren, welche medialen und technischen Möglichkeiten der Medien- und Meinungsbeeinflussung es geben kann.
Dies sollte aus zwei Perspektiven geschehen, einerseits aus der Perspektive der politischen (Medien-)Bildung, anderseits aus medienethischer Sicht. Während die medienethische Perspektive von Muriel Hanot, der Generalsekretärin der Association pour l’Autorégulation de la Déontologie Journalistique bzw. des Conseil de déontologie journalistique abgedeckt wurde, die einen Vortrag zum Thema „‘Informer, c’est un métier!‘ Transformations numériques et campagnes électorales : les enjeux de l’information“ hielt, kümmerte sich Sabrina Kirschner vom Eupener Institut für Demokratiepädagogik um die Perspektive der politischen (Medien-)Bildung.
Da die Thematik auch für die Öffentlichkeit relevant war, fanden die beiden Vorträge als öffentliche Abendvorträge im BRF-Funkhaus in Eupen statt. Um die Organisation der Veranstaltung hatten sich Rita Bertemes und Giana Pesch vom Ministerium der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens gekümmert.
In ihrem interaktiven Vortrag „Politische (Medien-)Bildung heute – Ein Experiment“ umriss Sabrina Kirschner einerseits die Grundlagen der politischen (Medien-)Bildung, stellte den in Belgien noch recht unbekannten Beutelsbacher Konsens und dessen Prinzipien vor. Außerdem erläuterte sie den Schmetterling des Europarats. Anschließend ging es in medias res. Sabrina Kirschner stellte einerseits Konzepte, wie Fake News, Deep Fakes, Algorithmen, Bots und Trolle an anschaulichen Beispielen aus dem Ausland vor und zeigte auf, wie diese Konzepte und Mechanismen genutzt werden können, um politische Entscheidungsprozesse und Wahlen zu beeinflussen. Insbesondere der Themenblock der Deepfakes sorgte für einige überraschte Gesichter. Denn es ist vergleichsweise einfach möglich, realitätsnahe kompromittierende Bilder, Audio- und Videodateien von Politiker*innen zu erstellen.
Zudem schlug Sabrina Kirschner die Brücke zum Alltag des ostbelgischen Publikums und dessen Mediennutzung:
- Welche Daten sammeln Alexa, Echo, Siri und Co über uns?
- Welche Rolle spielen Cookies und Algorithmen dabei, was wir im Internet bzw. den sozialen Medien angezeigt bekommen?
- Wie nutzen politische Parteien soziale Medien, wie Tik Tok, Instagram und Facebook um die Gunst der Wähler*innen zu gewinnen?
- Was genau ist eine Filterblase und wie tief stecke ich in ihr drin?
Während des Vortrags waren die Anwesenden an verschiedenen Stellen aufgefordert, selbst aktiv zu werden. Einerseits galt es das Buddybook auszufüllen, quasi ein maßgeschneidertes kleines A7 Notizheftchen für den Vortrag, das Tomke Lask und Sabrina Kirschner am Montagmorgen im Institut für Demokratiepädagogik zusammengefaltet hatten. Anderseits konnten verschiedene praktische Tools ausprobiert werden, um das eigene Medienverhalten kritisch zu hinterfragen.
Bei einem abschließenden Blitzlicht zeigte sich, dass die überwiegende Mehrheit nun eine neue bzw. weitere Perspektive auf den eigenen Medienkonsum gewonnen hatte. Einige Personen hatten sich so nun vorgenommen, in Zukunft nicht nur Google und dessen erste Trefferseite, sondern auch weitere Suchmaschinen zu nutzen. Andere wollten zukünftig weniger Cookies akzeptieren und den Cache von Suchmaschinen oder die Suche von Social Media Plattformen nun regelmäßig(er) löschen. Insgesamt war man sich einig, dass man nun eine kritisch-hinterfragendere Haltung in Bezug auf eigenen Medienkonsum einnehmen wollte. Eine Teilnehmende wollte sogar mit Familienmitgliedern (im Urlaub!) über ihre neuen Einsichten diskutieren und die Familienmitglieder für einen bewussteren Umgang mit Medien sensibilisieren.
Am Ende des Vortrags – das hatte Sabrina Kirschner bereits zu Beginn angekündigt – würden die Anwesenden wahrscheinlich mit recht vielen Fragen rausgehen.
Zum Abschluss gab sie den Anwesenden deshalb noch eine weitere Frage mit: Welche der im Vortrag genannten Mechanismen könnten in Ostbelgien eingesetzt werden und wie würde das die Wahlen bzw. das demokratische Miteinander beeinflussen?