Speak Up! KI, Deepfakes, Body Positivity und Alltagsrassismus – Fake News und Diskriminierung nach wie vor ein großes Thema in Ostbelgien

Schon zum vierten Mal hat das Eupener Institut für Demokratiepädagogik (IDP) die Speak Up! Tagung zum Thema Speak Up! – Fake News und Hate Speech als gesellschaftliche Herausforderung ausgerichtet. Sie hat nun in der letzten Jahreshälfte einen festen Platz im ostbelgischen Veranstaltungskalender erobert.
In diesem Jahr fand die Tagung zwischen Sonntag, 1. Dezember 2024 und Mittwoch, 04. Dezember 2024 in Eupen statt. Während am Sonntag, Montag und Dienstag Mitglieder des Speak Up! Labs in den Räumen des IDP am zweiten Speak Up! Buch gearbeitet hatten, das Mitte 2025 erscheint und das im August 2023 erschienene erste Buch fortsetzt, fand am Dienstag, 03. Dezember im Foyer des Eupener Jünglingshaus eine ganztägige Veranstaltung für die ostbelgische Zivilgesellschaft statt.

Rund 60 Menschen aus Ostbelgien und einige Menschen aus der angrenzenden Städteregion Aachen hatten sich für den Workshop und/oder den Abendvortrag angemeldet. Darunter waren einige alte Bekannte, die bereits an einer oder mehrerer der ersten drei Speak Up! Tagungen (2021, 2022 und 2023) teilgenommen hatten, aber auch viele neue Gesichter aus der ostbelgischen Zivilgesellschaft, worüber sich Sabrina Kirschner und Tomke Lask vom IDP besonders freuten.
Angereist waren die Teilnehmer*innen nicht nur aus dem Eupener Umland, sondern auch aus Amel, Kelmis und einigen Eifelgemeinden im St. Vither Raum. Auch aus Brüssel und den angrenzenden wallonischen Gemeinen haben sich Ostbelgier*innen auf dem Weg zum Speak Up! Workshop gemacht.

Sabrina Kirschner, am Institut für Demokratiepädagogik für Fragen der politischen (Medien-)Bildung und die Vernetzungsstelle Speak Up! verantwortlich, freute sich sehr über den wachsenden Zuspruch für die Veranstaltung: „Fake News und Hate Speech sind nach wie vor Themen, die uns in unserem Alltag beschäftigen. Gerade durch die technischen Entwicklungen rund um KI wird es zunehmend schwieriger, Deep Fakes von authentischem Material zu unterscheiden. Die KI sorgt auch dafür, dass immer mehr Menschen Opfer von Phishing werden, da Kriminelle mittlerweile täuschend echte Portale von Banken, Versicherungen und anderen Anlaufstellen nachahmen, mit denen sie Daten und letztendlich auch Gelder abzugreifen versuchen.“
Themen, wie Deep Fakes und Phishing seien gerade deshalb bei der Tagung besprochen worden, weil sie von den Teilnehmenden gewünscht wurden, so Sabrina Kirschner, die die Veranstaltung organisiert hatte: „Seit der ersten Speak Up! Tagung, die im Oktober 2021 stattfand, werden alle Teilnehmenden gebeten, im Vorfeld drei Fragen zu beantworten, nämlich:

  1. Haben Sie beruflich oder im Ehrenamt Berührungspunkte mit Fake News / Hate Speech? Wenn ja, welche? …
  2. Ich interessiere mich bei Fake News / Hate Speech besonders für … und
  3. Von einer Teilnahme am Workshop erhoffe ich mir …

Die Antworten auf diese Fragen bilden seit jeher die Grundlage für das Programm. Denn mir ist es sehr wichtig, dass wir die Teilnehmenden der Speak Up! Tagung dort abholen, wo sie gerade stehen und ihnen ein abwechslungsreiches Programm bieten, bei dem sie auch etwas für ihren Alltag und den dortigen Umgang mit Fake News und Hate Speech mitnehmen können.“

Im Jahr 2024 war das Bedürfnis nach Austausch und Vernetzung ziemlich groß, wie die Befragung im Vorfeld zeigte. Deshalb habe man wie üblich auf eine weitere Konstante der Speak Up! Tagungen gesetzt: Neue Methoden und Konzepte ausprobieren, wie Sabrina Kirschner bestätigte: „In diesem Jahr stand der intensive Austausch in wechselnden Kleingruppen im Vordergrund. Über den Tag verteilt gab es verschiedene Inputfragen, die sich mit Fake News und Hate Speech im Alltag befasst haben und zu einem vertieften Umgang mit der Thematik eingeladen haben. Einerseits ging es darum, erst einmal verschiedene Formen von Fake News und Diskriminierung erkennen und reflektieren zu können. Andererseits um den Umgang mit beiden Phänomenen: Was kann ich selbst tun, wo gibt es Anlaufstellen und wie kann ich Menschen in meinem Umfeld durch konkrete Maßnahmen oder Aktionen für den Umgang mit Fake News bzw. Hate Speech sensibilisieren.“

Die Arbeitsergebnisse der verschiedenen Arbeitsphasen wurden zu Papier gebracht und gut sichtbar an den Vorhängen der Bühne des Jünglingshauses angebracht. „Da wurde quasi aus der Methode Museumsgang ein Theatergang“, meinte Sabrina Kirschner. Zwischenzeitlich wurden die Ergebnisse auch im Plenum diskutiert. Ob Rassismus in der Schule oder dem Bus, Body Shaming im Supermarkt oder Diskriminierung bei der Post oder Fake News und Hass Kommentaren in den einschlägigen Online Portalen – es zeigte sich, dass Fake News und Hate Speech nach wie vor Phänomene sind, die im Alltag der Ostbelgier*innen sehr präsent sind.

Alle Arbeitsergebnisse würden nun gebündelt, noch einmal reflektiert und dann den Teilnehmenden und einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht, z.B. im zweiten Speak Up! Buch, das gerade die Teilnehmenden im Speak Up! Lab erarbeiten, so die Leiterin der Vernetzungsstelle Speak Up!: „Insgesamt hat das Speak Up! Lab gerade 33 Menschen aus 7 Ländern versammelt, die an den vier bisherigen Speak Up! Tagungen teilgenommen haben. Für das Buch gibt es viele spannende Beiträge, an denen natürlich auch die Menschen aus der ostbelgischen Zivilgesellschaft mitarbeiten. Am Dienstag hat sich nach dem Workshop eine neue Gruppe von deutschen und belgischen Lehrpersonen gebildet, die gemeinsam einen Unterrichtsbaustein schreiben wollen, weil ein Vortrag sie dazu inspiriert hat.“
Neben den Gruppenarbeitsphasen kam allerdings auch der Input beim Speak Up!-Workshop nicht zu kurz. Während des ganztätigen Workshops standen insgesamt vier Vorträge auf dem Programm, zu Themen, die sich die Teilnehmenden im Vorfeld gewünscht hatten. Die Vorträge wechselten sich mit den Arbeitsphasen ab, so dass auf den Input der Fachleute Bezug genommen werden konnte.

Nicole Baltus von der Frauenliga brachte ein sehr wichtiges Thema ein: Bodyshaming. Bereits am Anfang des Workshoptags zeigte sich bei einer Abfrage per Klebezettelchen, dass ein Großteil der Anwesenden Erfahrungen mit Bodyshaming hatte, also von anderen Menschen auf Grund des Körperbaus beleidigt oder diskriminiert wurde. Dem setzte die Geschäftsführerin der Frauenliga das Konzept der BodyPositivity entgehen, dem wertschätzenden Umgang mit dem Körper. In ihrem Vortrag „NoBODY is perfect – but unique!“ sprach sie über die Ausstellung zum Thema Body Positivity, die zuletzt im Museum Vieille Montagne in Kelmis gezeigt wurde, dessen Direktor auch am Workshop teilnahm. Mehr als 70 Frauen aus Ostbelgien hatten sich an der Fotoaktion beteiligt und gezeigt, dass man unperfekt schön und einzigartig sein kann, eine wichtige Botschaft, die noch mehr Gehör in der Gesellschaft finden muss.
Sabrina Kirschner vom IDP hielt einen Vortrag zum Thema „Zwischen Deep Fakes, Phishing, Trollfabriken und Algorithmen – Alltägliche Herausforderungen in den Sozialen Medien“. Dabei hat sie verschiedene Themen aufgegriffen, die sich die Teilnehmenden bei der Befragung im Anmeldeprozess gewünscht hatten. In der Diskussion nach dem Vortrag kam die Sprache auch auf die Rolle von KI in den sozialen Medien, einem Thema, das im Superwahljahr in aller Munde ist. Problematisch ist, dass Facebook und Co mittlerweile KI basiert Accounts sperren und diese auch nicht mehr freischalten, wie das IDP aus eigener leidlicher Erfahrung weiß. „Oft ist es nun mal so, dass die KI nicht unterscheiden kann, ob man sich in einem Post für oder gegen Hate Speech positioniert“, so Sabrina Kirschner, die auch darauf hinwies, dass hinter gesperrten Accounts von Institutionen und VoGs ja bei der Verwaltung gemäß der Facebook-Richtlinien ja auch private Accounts stecken müssen. Bei einer dauerhaften Sperrung des Accounts seien dann unter Umständen die privaten Erinnerungen und Fotos derjenigen, die die institutionellen Accounts verwalten, unwiderruflich weg.
Aleandro Iannuzzo brachte ein Stückchen Großregion mit. Als Alumni des Media & Me Programms, an dem auch medieninteressierte Menschen aus Ostbelgien teilgenommen haben, brachte er die Perspektive der jungen Menschen ein. Unter dem Motto „Jung, leidenschaftlich und journalistisch aktiv: die Journalisten von morgen“ sprach Aleandro Iannuzzo darüber, was er aus dem mehrmonatigen Programm in den verschiedensten Medienhäusern der Großregion mitgenommen hatte, und blickte auch auf das Modul in Ostbelgien zurück; die Teilnehmenden des aktuellen Jahrgangs waren übrigens im Sommer im IDP zu Besuch und berichteten darüber im BRF.
Last, but not least hatte die Bonner Linguistin Karolina Küsters, die zum Netzwerk der Vernetzungsstelle Speak Up! gehört, einen Vortrag zum Thema „Heute back ich, morgen brau ich, übermorgen verbreit ich Hass und Angst im ganzen Land. Hassgeschichten aus Italien“ mitgebracht. Besonders das Märchenmodell, das sie vorstellte, hatte es den ostbelgischen Lehrkräften angetan, die dieses nun an ihre Bedürfnisse anpassen und im Unterricht nutzen wollen und sogar einen Beitrag für das zweite Speak Up! Buch verfassen wollen.

Bei der abschließenden Evaluation mit roten und grünen Haftnotizen bedauerten einige Teilnehmende zwar, nicht noch mehr Zeit für Frage- und Feedbackrunden nach den Vorträgen gehabt zu haben und hätten sich eine feste Gruppeneinteilung im Vorfeld gewünscht, allerdings überwog das Lob: Der Input durch die Vorträge kam durch die Bank weg gut an, auch die sorgfältige Organisation, samt des bewährten Readers, wurde gelobt. Insbesondere freuten sich die Teilnehmenden über ein abwechslungsreiches Programm mit interaktiven Elementen und darüber, in einer angenehmen Atmosphäre genug Zeit für den Austausch untereinander und die grenzüberschreitendende Vernetzung miteinander gehabt zu haben.
Den Abschluss des Workshoptages, der auch von Europe Direct finanziell unterstützt wurde, bildete der interaktive Vortrag von Maximilian Kreter vom HAIT (Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung) an der TU Dresden, der ebenfalls Mitglied des Netzwerks der Vernetzungsstelle Speak Up! ist.  Im Vortrag „Sachsen nach der Landtagswahl: Perspektiven für Forschung und politische Bildung“ stellte der Politologe anschaulich die Folgen des Rechtsrucks bei den letzten Wahlen dar und schlug die Brücke von der deutschen Brandmauer zum belgischen cordon sanitaire. Die Diskussionen während des Vortrags und danach waren äußerst lebendig, was sich allein daran ablesen lässt, dass die Diskussion nach dem Vortrag eine halbe Stunde länger als angesetzt gedauert hat.
Workshop-Organisatorin Sabrina Kirschner und IDP-Leiterin Tomke Lask zeigten sich zufrieden mit der Veranstaltung: „Wir haben jetzt schon die ersten Nachfragen bekommen, wann Speak Up! im Jahr 2025 stattfindet und werden dann im kommenden Jahr einen passenden Termin suchen.“

Bildergalerie

Herzlichen Dank an Nicole Baltus, Sabrina Kirschner, Maximilian Kreter, Tomke Lask, Patrick Siegmann, die die Fotos von Workshop und Abendvortrag zur Verfügung gestellt haben!